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Im Lager

Niederländische Zwangsarbeiter

[Dieser Text kommt aus den Niederlanden]

Ein Dorfgenosse von Frits Winkelmolen bekommt im Lager Hilkerode eine Blinddarmentzündung. Auf Empfehlung des Sanitäters der Fabrik in Rhumspringe wird der Kranke im Duderstädter Krankenhaus aufgenommen, dort operiert und gepflegt, um nach einiger Zeit ins Lager zurückzukehren. Dort macht der Sanitäter regelmäßig seine Runde entlang der Baracken und fragt: »Wer krank?«, um anschließend nach eigenem Wissen und Gewissen zu handeln.

Cees Louwerse bekommt im Lager in Göttingen eine Blinddarmreizung und wird mit Hilfe von Mitstudenten in die Universitätsklinik in Göttingen eingeliefert; dort wird er zwei Wochen lang gepflegt. Dies zeigt, dass die Gesundheitsfürsorge für die niederländischen Zwangsarbeiter ähnlich wie vor dem Krieg gehandhabt wird, zumindest soweit es bestimmte Krankheiten betrifft. Auch Medikamente gegen Durchfall oder zahnmedizinische Hilfen werden, wenn nötig, verabreicht.

Bei den herrschenden Zuständen ist es mit dieser Fürsorge aber nicht wirklich gut bestellt. Die Wanzen in den Baracken rauben den Niederländern den Schlaf, das »Geschäft« wird in einer kollektiven, verseuchten Latrine außerhalb der Baracken verrichtet, zur Not auch in Eimern in den Baracken. Auch die relativ geringen Rationen an Essen, die überdies noch wenig ausgewogen zusammengesetzt sind, tragen nicht zur Gesundheit der Zwangsarbeiter bei.

Außerdem scheint die Verabreichung medizinischer Hilfe von der Laune des diensthabenden Pflegepersonals abhängig zu sein. So mancher wirklich kranke Zwangsarbeiter wird nach einer kurzen oberflächlichen Untersuchung als Simulant abgestempelt und aus dem Bett heraus zur Arbeit geschickt.

Italienische Militärinternierte

[Dieser Text kommt aus Deutschland]

Im Lagerteil der  Italiener in Hilkerode gab es eine Sanitätsbaracke: darin ein Tisch, zwei Stühle. Alles, was eine »Sanitätsbaracke« eigentlich ausmacht – Krankenliege, Desinfektionsmittel, Medikamente, fließendes Wasser – war hier unbekannt.

Das gesamte Lager war vollkommen unzureichend ausgestattet. Duschen gab es gar nicht, Waschmöglichkeiten viel zu wenige. Nachts konnten die – ohnehin primitiven – Aborte nicht benutzt werden; pro Baracke stand dann nur ein Behälter zur Verfügung, der allnächtlich überzulaufen drohte. Ein weiterer Eimer musste nacheinander Getränk oder Suppe, Wischwasser und Wasser zum Auskochen von läusebefallener Kleidung aufnehmen. Ersatzkleidung gab es nicht. Regelmäßiger Ungezieferbefall war eine der Folgen. Diese Zustände führten zusammen mit der völlig unzureichenden Nahrung und der harten körperlichen Arbeit zwangsläufig zu starker Krankheitsanfälligkeit der Italiener.

Auf dem Lagergelände wohnte der zuständige Arzt Dr. Brümann. Er kam seiner ärztlichen Pflicht gegenüber den Italienern ausgesprochen unzureichend nach. Etwa 110 Italiener kamen in die Krankenbaracke des Stalag XI B in Oerbke bzw. Bergen-Belsen. Fast keiner von ihnen kehrte nach Hilkerode zurück. Auch im Stalag waren die Zustände katastrophal. Mindestens 51 Italiener aus dem Ako 6008 starben in Deutschland. Todesursachen wie »Allgemeine Körperschwäche«, »Allgemeines Ödem« und »Offene Lungentuberkulose« weisen meist einen eindeutigen Zusammenhang mit der Unterernährung der Verstorbenen auf.

Im Lager versuchten die Italiener in origineller Weise, das Beste aus ihrer schlimmen Situation zu machen. Als die Wehrmachtswachen bei manchen eine Laus entdeckten, bestraften sie diese Gefangenen mit einem Tag Lagerarrest zum Auskochen der Kleidung. Daraufhin begannen andere Gefangene, Lappen um selbst beigebrachte Wunden an den Armen zu wickeln und darin Läuse zu züchten. Diese boten sie zum Tausch gegen Essensrationen an. Nicht wenige verzweifelte Italiener schenkten ihre Brotration für einen Tag Ruhe vor der mörderischen Arbeit in Rhumspringe her.

Giorgio Poli war einer der vielen IMIs aus dem Arbeitskommando 6008 Rhumspringe,
denen in der »Sanitätsbaracke« im Lager Hilkerode nicht geholfen wurde.

Er starb am 13.9.1944 im Alter von 21 Jahren in der Isolierbaracke des Lagerlazaretts Bergen-Belsen an Meningitis und Tuberkulose:

Quellen: Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, Celle/ Deutsche Dienststelle, Berlin