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Deutschland – Zwang für Deutsche

Lina Schäfer

Lina Schäfer wird 1924 in Uschlag bei Kassel geboren. Ihr Vater ist Maurer, die Mutter kümmert sich zuhause in der 3-Zimmer-Wohnung um ihre sechs Kinder.

1938, mit 13 Jahren, beendet Lina die Volksschule. Danach muss sie ein »Landjahr« absolvieren, eine staatliche Zwangsmaßnahme gegen die Landflucht, für die Stärkung der Landwirtschaft und zur ideologischen Schulung der Jugendlichen im Nationalsozialismus. Sechseinhalb Tage in der Woche muss Lina auf dem »Weißen Hof« für ein Taschengeld um fünf Uhr in der Früh aufstehen und bis abends acht Uhr die Kühe melken, die Schweine füttern, hart auf dem Feld arbeiten und die strenge Chefin ertragen.

Das »Landjahr« war nur eines von vielen Zwangselementen, die der Nationalsozialismus ins Arbeitsverhältnis einführte. Die vollständige Ausrichtung der Wirtschaft auf einen Krieg, der allumfassende Anspruch des Nationalsozialismus und die rabiate Bekämpfung der Arbeiterbewegung duldeten keine Freiheit. Das Beschäftigungsverhältnis wurde durchreguliert, die Arbeit selbst massiv beschleunigt, militarisiert und ständig überwacht.

Schon vor dem Krieg gehörten Barackenunterkünfte, Essen aus Feldküchen und Zwangsverschickungen von deutschen Arbeitern in weit entfernte Landesteile zum alltäglichen Bild. Zugleich bestand das Verbot, einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft gegen einen in der Industrie zu tauschen oder eine Stelle in einem für die Aufrüstung wichtigen Betrieb gegen eine besser dotierte Facharbeiterstelle andernorts zu verlassen.

Wer hier nicht mitmachen wollte, wurde bestraft. Auf »Vertragsbruch« stand Haft. Arbeitsämter, Geheime Staatspolizei und Wehrmeldeämter arbeiteten dabei eng zusammen.