Georg Opielka
Georg Opielka ist von Beruf Klempner und stammt aus dem polnischen Chropaczów (Schlesiengrube). Im Krieg muss er im Hotel »Zur Sonne« in Kreiensen als Hausdiener arbeiten. Irgendwann hat er genug und will fliehen. An einem Dezemberabend des Jahres 1941 springt er auf einen der zahlreichen Güterzüge, die Kreiensen passieren.
Nach einem Umstieg in den Eilgüterzug 5313 endet Georgs Fahrt jedoch im hessischen Bebra, wo er bei einer Kontrolle in einem Bremshäuschen eines Güterwagens entdeckt und an die örtliche Polizei übergeben wird. Die nimmt Georg seine Behauptung, »Volksdeutscher« zu sein, nicht ab, zumal sie noch zwei »P«-Abzeichen bei seinen Sachen findet. Georg wird verhaftet und an die Gestapo Kassel überstellt. Die erkennt auf »Arbeitsverweigerung« und weist ihn in das »Arbeitserziehungslager« (AEL) Breitenau ein. Nach mehr als sechs Wochen erfolgt die Überführung in das Polizeigefängnis Braunschweig.
Quelle: Gedenkstätte Breitenau
Das Deckblatt der Akte des AEL Breitenau über den »Schutzhäftling« Georg Opielka:
Quelle: Gedenkstätte Breitenau
AEL Breitenau: Formblatt zur Erfassung der persönlichen Daten:
Quelle: Gedenkstätte Breitenau
Karl Payuk
Karl Payuk erfährt unter Stalin als Sohn ukrainischer Bauern schon früh, was Gewaltherrschaft und Deportation bedeuten. Als er 1942 mit 16 Jahren von Deutschen zur Arbeit an einer Ferngasleitung in den Kreis Münden verschleppt wird, flieht er nach kurzer Zeit in den nahe gelegenen Wald. Dort wird er bald aufgegriffen. Über das Gestapogefängnis in Kassel, wo er misshandelt wird, und die Gefängnisse in Hann. Münden und Göttingen kommt Karl in das AEL Liebenau.
Von dort wird er nach einigen Wochen »in die Freiheit entlassen« – es ist die »Freiheit« der KZ-Häftlinge: Karl Payuk ist bis zur Befreiung nacheinander in den KZ Neuengamme, Salzgitter-Drütte und Bergen-Belsen interniert. Kurz vor der Befreiung erlebt er die berüchtigte »Hasenjagd« mit, bei der Celler Bürger KZ-Häftlinge verfolgen, deren Zug zerbombt worden war.
Quelle: Dokumentationsstelle Pulverfabrik Liebenau e.V.
Jan Klompenhouwer
[Dieser Text kommt aus den Niederlanden; die anderen Texte auf dieser Seite sind aus Deutschland]
Jan Klompenhouwer, Lagergenosse von Cees Louwerse, wird um Weihnachten 1943 trotz einer Erkrankung von seiner Pritsche geholt und an die Arbeit geschickt. Der Aufseher singt in der Werkstatt ein judenfeindliches Nazilied. Jan ist kein Jude, ihn stört aber ein solches Lied, er macht mutwillig Krach beim Arbeiten. Daraufhin ärgert sich der Aufseher, er geht auf Jan zu und schlägt ihm ins Gesicht. Jan wird böse, ballt die Fäuste und schlägt zurück.
Jan wird verhaftet und an die Gestapo in Göttingen und von dort nach Hildesheim übergeben, verhört, angeschrien, misshandelt und unter bewaffneter Begleitung in einem PKW Richtung Salzgitter-Watenstedt transportiert: Endstation »Lager 21«, ein »Arbeitserziehungslager«.
Wenig und schlechtes Essen, schwere Arbeit, unregelmäßiger Appell, Kälte, Beschimpfungen und Krankheit verlangen ihm in den folgenden Wochen viel ab. Während er todkrank in einer Baracke liegt, fragt ein polnischer Pfleger: »Ist der Holländer noch nicht tot? Warum stirbst du nicht, du wirst doch nie wieder arbeiten?« Jan antwortet kaum hörbar: »Jetzt geht es schlecht, aber irgendwann wird es wieder besser gehen.«
Jan wird im April aus dem Gestapogebäude in Hildesheim entlassen, schleppt sich von da aus total erschöpft durch eine lange Allee mit Bäumen, sich an jeden einzelnen Baum klammernd, bis zum Bahnhof und kehrt ins Lager Egelsberg nach Göttingen zurück. »Lagerunfähig«, heißt es dort. Jan wird in die Krankenbaracke verlegt.
Anfang Mai 1944, Jan ist zum Teil wieder erholt, scheint der Fausthieb im Gesicht des Aufsehers immer noch nicht genug geahndet. Jan wird in Richtung Breslau-Klettendorf abtransportiert und dort im Flakzeugamt eingesetzt.
Im Frühjahr 1945 erlebt Jan die Befreiung in Lindenthal bei Leipzig und kehrt später wohlbehalten über Paris in die Niederlande zurück.
Hintergrund
Immer wieder wurden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in »Arbeitserziehungslager« (AEL) gesteckt. Die Haft in diesen Lagern war ähnlich schlimm wie die in Konzentrationslagern (KZ). Insbesondere das AEL 21 in Salzgitter und das AEL Lahde waren als »Todeslager« gefürchtet.
Die Gestapo, der die AEL unterstanden, und die Arbeitsverwaltung konnten die Menschen ohne jedes Rechtsverfahren in die Lager einweisen; Rechtsmittel gab es nicht. Nach der (theoretisch) zeitlich begrenzten Lagerhaft sollten die Häftlinge wieder an ihren alten Arbeitsplatz gebracht werden, um durch ihren Zustand abschreckend auf ihre Kolleginnen und Kollegen zu wirken.
Die Gründe für die Einweisung in ein AEL konnten beliebig nichtig sein. Die 19-jährige Barbara Krycka, die auf einem Hof in Wöllmarshausen arbeiten musste, sagte einmal: »Wann wird endlich dieser verdammte Krieg zu Ende gehen?« Das trug ihr drei Monate Haft im AEL 21 ein.
Auch Deutsche schickte die Gestapo in die Lager. Hermann Nordmann aus Wollbrandshausen wurde im Oktober 1944 verhaftet und ins AEL Lahde gebracht, weil er freundschaftlichen Kontakt mit polnischen Zwangsarbeitern pflegte. Er berichtete später: »Unser Einlieferungsempfang bestand aus 6 Schlägen auf das nackte Gesäß mit Rumpf vorwärtsgebeugt, Hände auf den Fußspitzen.« Bis zur Evakuierung des Lagers im April 1945 musste es Hermann Nordmann dort aushalten.
Wie viele ausländische Zwangsarbeitende aus Südniedersachsen in AEL eingewiesen wurden und wie viele von ihnen dort bzw. später an den Folgen der Haft ums Leben kamen, ist bis heute nicht bekannt.