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Schwangerschaften und Abtreibungen

Schwangerschaften von Zwangsarbeiterinnen waren im Nazi-Deutschland grundsätzlich ebenso unerwünscht wie ausländische Kleinkinder: hielten sie doch die Frauen von der Arbeit ab und erforderten Aufwand zur Betreuung. Schwangere sollten daher eigentlich nicht ins Reich geholt werden. Geschah dies doch oder wurden die Frauen erst in Deutschland schwanger, so galt bis 1942 die Regelung, dass die Schwangeren in ihre Heimat zurücktransportiert werden sollten, um nach der Geburt zum »Arbeitseinsatz« zurückzukehren. So ist es auch in Südniedersachsen gehandhabt worden. Gleichzeitig kamen aber auch in sämtlichen Krankenhäusern der Region sowie in Lagern und Einzelunterkünften Kinder von Zwangsarbeiterinnen zur Welt.

Schwangere aus einem großen Göttinger Zwangsarbeiterlager wurden für wissenschaftliche Zwecke missbraucht, indem sie als »Hausschwangere« für die medizinische Ausbildung zur Verfügung stehen mussten.

Die Praxis der »Rückführungen« in die Heimat wurde Ende 1942 weitestgehend unterbunden. Von nun an hatten die Frauen nach der Entbindung an ihre Zwangsarbeitsplätze zurückzukehren; die Kosten für den Unterhalt ihrer Kinder mussten sie selbst tragen. Für Schwangere aus Osteuropa galt ein drastisch eingeschränkter Mutterschutz. Den Neugeborenen stand bis zum Alter von drei Jahren nicht mehr als ein halber Liter Milch am Tag zu.

Für Geburt und »Betreuung« der Kinder wurden in den großen Zwangsarbeiterlagern und direkt bei Industriebetrieben sogenannte Entbindungs- und Säuglingsstationen eingerichtet. Auf dem Land schuf man »Ausländerkinderpflegestätten«. Oftmals wurden somit Mütter und ihre Kinder auseinandergerissen.

Eine geheime Anordnung des Reichsgesundheitsführers Conti vom März 1943 ermöglichte zudem »auf Wunsch der Schwangeren« die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen bei Frauen aus Osteuropa. Für »erbgesunde« deutsche Frauen waren Abtreibungen hingegen strengstens verboten. Die Zahl der in Südniedersachsen vorgenommenen Abbrüche ist bisher ebenso unbekannt wie die konkreten Umstände, beispielsweise in Hinsicht auf die Freiwilligkeit des Eingriffs.