Februar 2025
Der lange Weg zur Entschädigung III: Neue Begegnungen an alten Orten
Parallel zu den späten Entschädigungszahlungen und den ergänzenden humanitären Programmen werden in Deutschland vor allem in den 2000er-Jahren sogenannte Besuchs- oder Begegnungsreisen für ehemalige Zwangsarbeiter*innen organisiert. Diese Begegnungen hinterlassen bei allen Teilnehmenden bleibende Eindrücke. Dies ist der dritte und letzte Teil unserer Serie über den Umgang der Bundesrepublik mit früheren NS-Zwangsarbeitenden, insbesondere aus Osteuropa.
Die Besuchsreisen werden von kleinen Geschichtsvereinen und engagierten Bürger*innen, aber auch von Städten und Gemeinden organisiert und finanziert. Manche Besuchsprogramme werden jahrelang angeboten. David Rojkowski, der Verfasser dieser Artikelserie über die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeitender, hat von 2012 bis 2013 das Besuchsprogramm in Hamburg geleitet. Zuvor begleitete er zahlreiche Gruppen als Leiter und Dolmetscher nach Deutschland.

Besuch des ehemaligen Arbeitsortes, hier ein Bauernhof bei Hamburg. © David Rojkowski
In Hamburg beinhalten die mehrere Tage langen Besuche immer den Besuch des ehemaligen Arbeitsortes, den die Gastgeber*innen im Vorfeld des Besuches recherchiert haben. Manchmal treffen die ehemaligen Zwangsarbeitenden auf intakte Gebäude, manchmal gibt es aber auch gar nichts mehr zu sehen. Es gibt Begegnungen mit Jugendlichen, bei denen die Zeitzeug*innen von ihren oft traumatischen Erlebnissen berichten können und den Jugendlichen oftmals auch eine versöhnliche Botschaft vermitteln. Ein offizielles Treffen mit wichtigen politischen Vertreter*innen der Stadt gehört ebenfalls zum Programm. Die Besuche verlaufen zum Teil sehr emotional, mit viel Raum für Gespräche, die Menschen umarmen sich, mitunter fließen Tränen. Manchmal ist es das erste Mal, dass die Menschen so ausführlich von dem Erlebten erzählen.

Termin für ein Zeitzeugengespräch mit Schüler*innen einer Hamburger Schule. © David Rojkowski
An den Besuchen können trotzdem nicht alle teilnehmen. Für viele ist so eine weite Reise zu beschwerlich, einige wenige möchten aber auch nicht noch einmal nach Deutschland kommen und lehnen die Einladung ab. Insgesamt erweisen sich diese Besuche jedoch als eine sehr sinnvolle Idee. Sie haben mehr zur Versöhnung Deutschlands und Polen beigetragen als viele andere Projekte. Denn mit den herzlichen Momenten können sie den Menschen, die einst hierhin verschleppt, die ausgebeutet und von ihren „Arbeitgeber*innen“ oder von Polizisten geschlagen wurden, ein anderes Bild vom heutigen Deutschland vermitteln.

Gruppenbild einer der letzten Besuchsgruppen von ehemaligen Zwangsarbeitenden in Hamburg. © David Rojkowski
