Vom Leben in der Zwangsarbeit und dem langen Kampf um Entschädigung: Wiktorja Delimat | Online-Workshop
Jahrzehntelang gibt es für Menschen, die im Zweiten Weltkrieg von Nazi-Deutschland zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt wurden, keinerlei Entschädigung. Erst spät wird dafür die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVZ) gegründet. Als diese Stiftung 2007 die letzten Zahlungen leistet, gilt das Thema offiziell als abgeschlossen. Aber wie sieht der Weg zu einer Entschädigung für die ehemaligen Zwangsarbeiter*innen aus? Welche Bedeutung messen die betroffenen Menschen der Entschädigung bei?
In der Ausstellung „Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen 1939-1945“ werden verschiedene Geschichten von ehemaligen Zwangsarbeiter*innen und der Frage ihrer Entschädigung erzählt.
Einen Überblick über die Zwangsarbeit in Südniedersachsen und darüber hinaus bietet der Prolog der Ausstellung unter dem Eintrag „Zwangsarbeit: Umfang und Begriffe“.
Wiktorja Delimat versucht bereits in den 1950ern, über das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) eine Entschädigung für die Leiden der Zwangsarbeit zu erhalten. Ihr Kampf um eine Entschädigung und ihre Zeit als Zwangsarbeiter*in werden in der Ausstellung nachgezeichnet.
Gemeinsam spüren wir jetzt ihrer Geschichte nach...
Das Leben davor
In der ersten Station geht es um Wiktorjas Leben, bevor sie nach Südniedersachsen verschleppt wird, und um die Situation in Polen vor dem deutschen Überfall am 1. September 1939.
Eisenbahn
Die meisten Zwangsarbeiter*innen werden mit der Deutschen Reichsbahn nach Deutschland gebracht. Wiktorja Delimat erinnert sich 2007 daran. Erst Jahrzehnte später kann sie wieder mit dem Zug fahren, so sehr steckt ihr der Schrecken noch in den Knochen.
Zwangsarbeitende aus Polen
Die deutsche Besetzung Polens war brutal. Eine Karte der Aufteilung Polens durch die Wehrmacht ist hier in der virtuellen „Schublade“ zu sehen. Jasło, die Region aus der Wiktorja Delimat stammt, liegt etwa 150 km südöstlich von Krakau, also im damaligen Generalgouvernement.
Für ins Reichsgebiet verschleppte Menschen aus Polen gelten Sondergesetze, einen Auszug aus einem Schreiben gibt es in dieser „Schublade“ zu lesen. Der Text vermittelt auch einen Überblick über die Zwangsarbeit polnischer Menschen in Deutschland.
Auf dem Land
Wiktorja Delimat kommt im Oktober 1942 nach Südniedersachsen. Sie muss zunächst in der Zuckerfabrik in Obernjesa arbeiten.
Nach dem Ende der Zuckerkampagne werden die polnischen Zwangsarbeiterinnen auf andere Betriebe verteilt. Wiktorja Delimat wird einem Bauernhof in Ebergötzen zugewiesen. An dieser Station erfahren wir auch, wie es ihr in der Zeit zwischen ihrer Verschleppung aus Nienaszów und ihrer Ankunft in Südniedersachsen ergangen ist.
Die Landwirtschaft war einer der wichtigsten Einsatzorte für Zwangsarbeiter*innen. Während die Zwangsarbeiter*innen (insbesondere aus Osteuropa) selbst unterversorgt werden, sollen sie für die Nahrungsmittelsicherheit der deutschen Bevölkerung sorgen.
Ein Leben in Gefahr
Wie alle Zwangsarbeiter*innen aus Polen und der Sowjetunion unterliegt auch Wiktorja Delimat strengen Sonderregelungen.
Ein Verstoß gegen die Regeln kann zu schlimmen Strafen führen, bis hin zur Einweisung in ein Arbeitserziehungslager (AEL) oder ein Konzentrationslager (KZ) und sogar zur Hinrichtung. Die Peitsche, die hier auf dem Bild zu sehen ist, hat Wiktorja Delimat nach der Befreiung eingesammelt. Sie steht symbolisch für die Gewalt, die sie erlebt hat.
Danach: Der lange Kampf um Entschädigung
Nach der Befreiung entscheidet sich Wiktorja Delimat, weiterhin auf dem Bauernhof in Ebergötzen zu arbeiten. In den 1950ern beginnt sie, um eine Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) zu kämpfen.
Darüber berichtet die Ausstellung in den Abschnitten „Wiktorja Delimat“ und "Entschädigung: Das Beispiel Wiktorja Delimat“:
Was ist das Bundesentschädigungsgesetz (BEG)? (PDF)
Jahrzehntelang ringen ehemalige Zwangsarbeiter*innen darum, für das erlittene Leid entschädigt zu werden. Für viele steht im Vordergrund, den vorenthaltenen Lohn und Rentenzahlungen zu bekommen. Doch ihr Kampf bleibt lange vergeblich, auch Wiktorja Delimat bekommt nichts. Erst als 1999 durch Sammelklagen in den USA öffentlicher Druck gegen deutsche Unternehmen aufgebaut wird, ändert sich die Situation. Nach zähen internationalen Verhandlungen tritt in Deutschland am 12. August 2000 das „Gesetz zur Errichtung einer Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ in Kraft. Am 21. Juni 2001 zahlt die Stiftung erstmals Geld an ehemalige NS-Zwangsarbeiter*innen aus. Dies ist im Abschnitt „Entschädigung“ nachzulesen:
Auch Wiktorja Delimat erhält nun eine geringe Entschädigung – viel zu spät, wie sie resümiert. Sie habe das Geld gar nicht mehr gebraucht. Gerade in den ersten Jahren nach ihrer Befreiung hätte ihr eine Entschädigung dagegen wirklich geholfen.
Der Abschnitt "Epilog" bietet einen Überblick über die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema NS-Zwangsarbeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts und die Wiedergutmachung des Unrechts.
Der Workshop ist entstanden in unserem Kooperationsprojekt „Rekonstruktion juristischer Verfahren über Zwangsarbeit in Südniedersachsen und Polen“ als Teil des Projekts „Schicksale aus Polen 1939-1945. Erinnern lokal & digital“ des Deutschen Polen-Instituts.