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Zwangsarbeit in einem Haushalt

Olga Aleksejewna S. aus der Sowjetunion arbeitet acht Stunden täglich montags bis samstags bei der Firma Winkel-Zeiss in Göttingen. An ihrem freien Sonntag nimmt die 18-Jährige Putzarbeit in einem privaten Göttinger Haushalt an. Nur so bekommt sie etwas mehr an Essen und gebrauchte Kleidung. Urlaub hat sie nie.

»Eines Tages (wahrscheinlich im Jahre 1943) kam zu uns in die Baracke ein Polizist und sagte: ›Wer in einer deutschen Familie arbeiten will, muss morgen zum Tor kommen.‹ Ich und andere sind gegangen und haben uns in einer Reihe aufgestellt. Hinter dem Stacheldraht auf der Straße standen die deutschen Frauen und wählten sich eine Arbeiterin aus. Der Polizist schrieb die Nummer auf und sagte uns, wann wir ins Lager zurückkehren müssten.
Ich habe die Wohnung geputzt, die Wäsche gewaschen und noch irgendetwas. Die Hausfrau hat mir etwas zum Essen gegeben und etwas zum Mitnehmen (vier Kartoffeln und zwei Butterbrote). Ich kam abends von der Arbeit und kochte aus einer der Kartoffeln eine Suppe. Dann noch 90 gr. Brot und das war mein Abendessen.«

Zahlreiche Familien in Südniedersachsen wünschten sich Zwangsarbeiterinnen, die als Putzkräfte und Kindermädchen Vollzeit arbeiteten. Die Vermittlung erfolgte durch das Arbeitsamt. Trotz des Umgangsverbotes mit Polen und »Ostarbeitern« begegnete die Bevölkerung den Zwangsarbeiterinnen auf engstem persönlichen Raum. Deshalb wurden »arisch« aussehende Mädchen und junge Frauen zwischen zwölf und zwanzig Jahren aus den besetzten Ostgebieten gezielt ausgesucht. Von deutschen Soldaten auf »Menschenjagd« aus ihren Familien gerissen und ins Reich verschleppt, befanden sich die Osteuropäerinnen wenige Wochen später mitten in einer neuen Familie – als Menschen zweiter Klasse.

Womöglich bekamen Zwangsarbeiterinnen in Privathaushalten mehr Essen und Kleidung als andere Zwangsarbeitende, dafür hatten sie aber keinerlei geregelte Arbeitszeiten. Für die Betreuung und Pflege von Kindern oder Kranken im Haushalt waren sie rund um die Uhr zum Dienst abrufbar. Oft begann die tägliche Arbeit am frühen Morgen mit dem Anfeuern des Kamins, der Frühstückszubereitung und dem Waschen und Ankleiden der Kinder und lief bis spät in den Abend hinein. Vor allem waren die Mädchen und jungen Frauen der Macht ihrer Dienstherren und Dienstfrauen völlig ausgeliefert, sie lebten sehr isoliert, anfangs oft ohne eine gemeinsame Sprache. Obwohl einige selbst noch Kinder waren, erlebten sie, wie die zu versorgenden Kinder – noch Kind sein durften.