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Andere Eisenbahnen, Eisenbahnbau

Neben der Deutschen Reichsbahn beschäftigten auch private und kommunale Eisenbahnunternehmen ausländische Zwangsarbeitende. In Südniedersachsen waren das die Gartetalbahn mit ihrer von Göttingen nach Duderstadt führenden Schmalspurstrecke und die Ilmebahn zwischen Salzderhelden und Dassel.

Eine große Zahl ausländischer Zwangsarbeitender musste bei privaten Eisenbahnbauunternehmen arbeiten. Bereits die ersten polnischen Zwangsarbeiter, die in der Stadt Göttingen eintrafen, verrichteten Oberbauarbeiten bei der Reichsbahn für den Eisenbahn- und Tiefbaubetrieb Fritz Keim. Die beiden Kasseler Unternehmen Georg Reiße und Fritz Bertram setzten ebenso ausländische Beschäftigte an Eisenbahnbaustellen in Südniedersachsen ein wie die Firma Peter (»Peco«) Bauwens aus Köln und die hannoverschen Gleisbaubetriebe Schmidt und Kampmann. Für Schmidt Gleisbau mussten bis zu 630 Zwangsarbeitende aus Polen und der Sowjetunion von 1940 bis 1942 ein Normalspurgleis von Kreiensen zur Eisenerzgrube Echte verlegen und den Grubenbahnhof Echte errichten. Auch auf der Baustelle der Schickert-Werke in Rhumspringe beschäftigte Schmidt Gleisbau ganz überwiegend ausländische Arbeitskräfte.

Die körperliche Ausbeutung in den Eisenbahnbaubetrieben war sehr groß. Entsprechend hoch waren die Krankenstände bei den ausländischen Beschäftigten. So mussten 90% aller in Dransfeld bei der Fa. Fritz Bertram beschäftigten Zwangsarbeitenden zeitweise arbeitsunfähig geschrieben werden.

Aufgrund einer Analyse der krankheitsbedingten Arbeitsausfallzeiten setzte die Firma Schmidt Gleisbau sich für die Möglichkeit ein, als »Arbeitgeber« einen Arzt ihres Vertrauens bestimmen zu können, der eine Kontrolluntersuchung bei arbeitsunfähig geschriebenen ausländischen Arbeitern vornehmen könne. In einem an den »Treuhänder der Arbeit« gerichteten Schreiben entsprechenden Inhalts erklärte die Firma rundweg: »Es ist an sich bedauerlich, daß die für die Durchführung der Arbeiten verantwortlich eingesetzten Führungskräfte sich immer mit dem Urteil des Arztes abfinden müssen, wenn dieser die Leute krank schreibt.«

Quelle: Zahlengrundlage und Zitat: Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 275 Nr. 262

Unmittelbar vor Kriegsende ließ sich das Eisenbahnbauunternehmen Richard Reckmann aus Cottbus in Hann. Münden nieder und brachte einige polnische Zwangsarbeitende mit. Mit den Produkten dieses Unternehmens hatten unter anderem jene jüdischen Frauen aus Ungarn Bekanntschaft gemacht, die 1944 als KZ-Häftlinge nach Duderstadt kamen: Das Gleis 3 am KZ Auschwitz, an dem sie selektiert worden waren, hatte die Firma Richard Reckmann erbauen lassen.